Sind Berufstätige frustriert im Job, orientieren sie sich neu und kündigen. Vor allem junge Menschen fackeln nicht lange, wenn Sinn und Spaß bei der Arbeit fehlen. Ein guter Grund, Beschäftigte darin zu unterstützen, sich die eigene Arbeitsstelle zurechtzubasteln. Lesen Sie, wie Jobcrafting dabei hilft, die Arbeitgeberattraktivität zu steigern und welche sieben Gründe dafür sprechen, direkt damit zu beginnen.

Immer mehr Arbeitgeber ermöglichen Bewerbern und Angestellten, ihren Job selbstbestimmt zu gestalten (Englisch: to craft). Sie fördern ihre Mitarbeitenden darin, erfüllende Aufgaben zu übernehmen, stärkende Beziehungen zu leben und ein positives Mindset zu verinnerlichen. So hilft Jobcrafting dabei, Personal zu gewinnen und schließlich zu halten. 

Jobcrafting ist ein kreativer und fortlaufender Prozess 

Oft begleiten Laufbahn- und Karrierecoachs dabei, das berufliche Wirken zu reflektieren und neu auszurichten. Das tut vor allem Menschen gut, die das alltägliche Einerlei satthaben, sich nach Inspiration im Team sehnen und sich sinnstiftend verwirklichen wollen. 

Im Coaching setzen sich Arbeitnehmer mit Fragen wie diesen auseinander, um ihr aktuelles oder künftiges Jobprofil zu optimieren oder zusätzliche Aufgaben zu übernehmen:

  • Womit will ich mich mehr, womit weniger beschäftigen?
  • Welche Aufgaben frustrieren mich und wie kann ich das selbst ändern?
  • Was schenkt mir Energie und treibt mich an? 
  • Wie kann ich das, wofür ich mich privat begeistere, auch im Beruf leben?
  • Wer oder was inspiriert mich?
  • Was kann ich besonders gut?
  • Was bringt mich in den Flow?
  • Mit wem oder was möchte ich zusammenarbeiten?
  • Welches Projekt reizt mich?
  • Wie gewinne ich Klarheit darüber, was mich beruflich erfüllt? etc.

Die Ergebnisse besprechen Mitarbeiter mit ihrer oder ihrem Vorgesetzten und/ oder im Team. Sie entwickeln gemeinsam Ideen, um die Stelle sinnvoll anzupassen. Beispiele sind:

Aufgaben gestalten: Ein Controller besucht in seiner Freizeit Workshops für kreatives Schreiben. Seine persönliche Leidenschaft bringt er nun vier Stunden die Woche als Blogger für die PR-Abteilung ein.

Den Job mit anderen Augen betrachten: Eine Assistentin der Geschäftsführung überwindet ihren Routinefrust, weil sie erkennt: Ich bin eine Brückenbauerin zwischen Mitarbeitern und der Führung. Ich trage maßgeblich dazu bei, dass Informationen fließen und die Unternehmensspitze ein offenes Ohr für die Basis hat.

Beziehungen stärken: Eine IT-Fachkraft im Homeoffice wünscht sich mehr Außenkontakt. Sie ist auf der nächsten Fachmesse dabei, um von Angesicht zu Angesicht mit Kunden zu sprechen.

 

Unternehmen, die Jobcrafting institutionalisieren, schaffen einen Rahmen für das, was im Kleinen ohnehin geschieht - und mehrheitlich an der Führung vorbeigeht. Denn Mitarbeitende justieren ihre Jobs eigeninitiativ so wie es eben machbar ist. 

Das fanden die Wissenschaftler Amy Wrzesniewski und Justin Berg in den frühen 2000er Jahren an der Yale School of Management heraus. Sie haben übrigens auch den Terminus Jobcrafting geprägt. Sie forschten gemeinsam mit Jane Dutton und erkannten: Bekamen Führungskräfte Wind davon, dass Mitarbeiter ihren Job an ihre Bedürfnisse anpassten, traten die Vorgesetzten auf die Bremse. Kein Wunder, wenn die Loyalität zum Arbeitgeber Risse bekommt und frustrierte Kräfte abwandern. Genau das will Jobcrafting verhindern.

Was tun, wenn Mitarbeiter die Ziele des Unternehmens aus den Augen verlieren?

Jobcrafting kann und will die Menschen im Unternehmen dabei unterstützen, sich aus eigenem Antrieb zu engagieren und Sinn bei der Arbeit zu finden. 

Doch was tun, wenn das Konzept zum Egotrip wird? Wenn die Fluktuation zunimmt, weil Beschäftigte merken: Ich bin komplett falsch hier? 

Wenn dem so ist, lichtet das Jobcrafting blinde Flecken und fördert ein aufrichtiges Miteinander, auch wenn sich die Wege trennen. Das alles geschieht bestenfalls mit Respekt und Wertschätzung für das, was der Coaching-Prozess offenbart. 

Haben Mitarbeitende Ideen und Ansätze gefunden, um ihren Job zu optimieren, geht es nicht darum, alle Wünsche unreflektiert umzusetzen. Es geht darum, die Unternehmensziele zu betrachten und gemeinsam abzuwägen, was sinnvoll und machbar ist. Wenn die Realisierung an Grenzen stößt, gilt: Hintergründe transparent machen und einen ersten möglichen Schritt unbedingt umsetzen. Ganz wichtig: im Gespräch bleiben, auswerten und voneinander lernen.

Was hilft dabei, Jobcrafting loyalitätsfördernd zu nutzen? 

Eine gesunde Basis für erfolgversprechendes Jobcrafting ist ein offener Dialog über Werte. Im Prozess der Kulturtransformation kann Jobcrafting ein wertvolles Tool sein, um den Wandel sichtbar zu vollziehen und konkrete Maßnahmen für die Zukunft zu entwickeln. 

Werte sind das Herzstück der Kultur einer zukunftsfitten Organisation. Mit ihrem 'Ja' zu Jobcrafting, setzt die Geschäftsführung ein Zeichen für gelebte Werte, stößt ein Umdenken an und macht den Sinn von Veränderung greifbar. 

Bei Jobcrafting geht es um Werte wie

• Freiheit, Vertrauen und darum, dass die Führung Kontrolle abgibt,
• Mitbestimmung und Mitarbeiterentwicklung,
• lebenslanges Lernen und darum, einen persönlichen Beitrag zu leisten,
• Eigenverantwortung und Mut,
• Offenheit für individuelle Jobprofile, die Innovationen fördern und verborgenes Potenzial freilegen.

Ein gemeinsames Werteverständnis im Unternehmen setzt voraus, dass die Menschen im Betrieb offen miteinander kommunizieren. Diese Kultur lebt davon, dass Führung und Mitarbeiter ihre Ideen und Schätze teilen, die maßgeschneiderte Jobprofile mit sich bringen.

Menschen, die Chance zu geben, ihrem persönlichen Wirken mehr Sinn zuzuschreiben und zufrieden zu arbeiten, bedeutet auch: Angestellte identifizieren sich mit dem, was durch sie in die Welt kommt. Beschäftigte erleben: Mein Arbeitgeber sieht, hört und versteht mich. 

Was passiert wohl, wenn Menschen in ihrem tiefen Inneren spüren und erkennen: 'Ohne mich, wäre genau das, was und wie ich es tue, so nicht in der Welt'? 

Klar sind Funktionsträger austauschbar. Doch wenn Menschen sich aus innerem Antrieb engagieren, werden sie mit Hingabe und Freude an der Arbeit unverwechselbare Strahlkraft nach innen und außen entfalten - und sich mehr denn je mit ihrem Arbeitgeber verbunden fühlen. 

 

7 Gründe für Unternehmen, Jobcrafting zu kultivieren

 

1. Jobcrafting ist ein Erfolgs-Booster für das Recruiting

Arbeitgeber, die Jobcrafting nutzen, um Personal zu rekrutieren, signalisieren: 'Wir sind wirklich an den Menschen interessiert, die bei uns arbeiten. Und wir unterstützen persönliche Entwicklung und lebenslanges Lernen.' 

Gemeinsam mit ihren Bewerberinnen und Bewerbern entwickeln diese Arbeitgeber - im Gegensatz zu den meisten Wettbewerbern - das Jobprofil, das Kompetenzen der neuen Mitarbeiter abdeckt, Stärken fördert und deren Bedürfnissen gerecht wird. Das heißt auch: Sie disziplinieren sich selbst, sich ganzheitlich mit dem Menschen zu beschäftigen, der sich mit all seinen Stärken und seiner Persönlichkeit einbringen will. Als offene Einladung an neue Kräfte, das Stellenprofil selbst zu formen, wertet Jobcrafting Stellenausschreibungen deutlich auf.

 

2. Jobcrafting versinnbildlicht gelebte Diversität 

Mit Jobcrafting ist Diversität per se als Grundwert der Führung und Zusammenarbeit verankert. Menschen fassen Mut, zu ihrer Einzigartigkeit zu stehen und sich individuell einzubringen. 

Unternehmen, die Jobcrafting kultivieren, sprechen eine klare Sprache: 'Diversität bringt uns weiter und wir pflegen eine Haltung, die unsere Kollegen in ihrer Individualität bejaht und unterstützt'.

 

3. Jobcrafting schafft Raum für Dialog 

Betriebe, die Jobcrafting ermöglichen, fördern Dialog. Jobcrafting leitet Kollegen an, von Mensch zu Mensch miteinander ins Gespräch zu kommen und sich konstruktiv mit sich selbst und miteinander zu beschäftigen. Auch Führungskräfte sind in der Pflicht, sich selbst zu reflektieren und ihre Rolle als Mutmacher, Impulsgeber und Inspiratoren anzunehmen. 

Der Spirit des Jobcrafting fördert Respekt und offene Kommunikation im Team, die über das Tagesgeschäft hinausgeht. Diese offene Gesprächskultur wirkt sich positiv auf die Fehlerkultur aus und stärkt den Zusammenhalt. 

 

4. Jobcrafting unterstützt das Gesundheitsmanagement

Wer Freiraum genießt und darin unterstützt wird, sein Jobprofil selbst zu gestalten, erlebt psychologische Sicherheit. 

Wer weiß: 'ich bin mit meinen Stärken und Bedürfnissen willkommen', fühlt sich ehrlich zugehörig. 

Offen über lästige Aufgaben zu sprechen und Licht am Ende des Tunnels zu sehen, dimmt mentalen Stress herunter. Wer selbstbewusst ausdrückt, wie sie oder er sein Berufsbild gestalten will, und auch danach handeln darf, wächst persönlich und gewinnt Selbstvertrauen.

 

5. Jobcrafting fördert Selbstreflexion

Wer Verantwortung für das eigene Jobprofil übernimmt, reflektiert sich selbst. Ein Karrierecoaching stärkt Menschen darin, sich kritisch zu hinterfragen und zu betrachten, was gut läuft und guttut. Der Dialog fördert zudem das Team darin, sich in punkto Zusammenarbeit den Spiegel vorzuhalten und voneinander zu lernen. 

Selbstreflexion ist eine Schlüsselressource in unserer komplexen und dynamischen Welt; unverzichtbar, wenn es darum geht, sich schnell auf Veränderungen einzustellen.

 

6. Jobcrafting erleichtert eine lebensphasenorientierte Personalpolitik 

Attraktive Arbeitgeber sehen ihre Mitarbeiter mit ihren beruflichen und persönlichen Bedürfnissen. 

Jobcrafting hilft dabei, Beschäftigten entgegenzukommen, wenn es privat gerade schwierig ist oder sich die Lebensumstände verändern. 

Das betrifft junge Väter und Mütter, Kinder pflegebedürftiger Familienmitglieder, Trauernde. Auch Mitarbeitenden, die kurz vor dem Ruhestand stehen, tun sich Chancen auf, ihre Schlussphase im Betrieb sinnvoll zu gestalten – oder sogar danach passende Aufgaben zu übernehmen.

 

7. Jobcrafting navigiert die Führung

Jobcrafting bereichert die eigene Sicht auf das Unternehmen und holt nicht nur alteingesessene Mitarbeiter, sondern auch Vorgesetzte aus dem Tunnelblick. 

Das Konzept des Do-it-yourself-Jobprofils hält die Führung an, Kontrolle abzugeben und sich selbst zu verändern. Denn wenn das Personal selbstbestimmt arbeitet und sich im Beruf ein Stück weit neu erfindet, verändert sich die Führung automatisch mit.

Diese gelebte und erlebte Flexibilität fördert agile Arbeitsweisen, die in der VUCA-Welt zentral sind. (VUCA ist ein Kürzel aus den Anfangsbuchstaben der vier englischen Begriffe Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity. VUCA beschreibt, wie flüchtig, unsicher, komplex und mehrdeutig unsere digitale Welt ist.)

 

Welche ersten Schritte gehen Sie als Vorgesetzte(r), um Jobcrafting für Ihr Team zu nutzen?

Wenn es keine Grenzen gäbe: Was würdest du sofort in deinem Job ändern?

 

Ihre und Eure 

Susanne Kleiner 

 

Zu diesem Artikel haben mich Ines Bruckschen und Dr. Andrea Maria Bokler inspiriert. Ines hat mich bei Competence on Top auf meinem Weg zum Karriere- und Laufbahncoach begleitet und Jobcrafting auf meine Agenda gesetzt. Andrea Maria hat mich zum Cultural Transformation Consultant (Barrett Values Centre) ausgebildet und mir einprägsam vermittelt: Es ist so kraftvoll, wenn Unternehmen Mitarbeiter beteiligen, um ihre Unternehmenskultur zu transformieren. Die wertvollen Impulse dieser bemerkenswerten Frauen bereichern meine Arbeit bis heute und haben meinen Schreibfluss beim Bloggen beflügelt. Ein herzliches Dankeschön Euch beiden. 

 

Lesen Sie auch 

 

Interview mit Ines Bruckschen

Über Karrierecoaching engagierte Mitarbeiter finden und binden

 

Blog Dr. Andrea Maria Bokler

Wer versteht, vertraut: Kulturtransformation aus Sicht einer Kommunikationsexpertin (Teil 1)

Gute Texte machen Identitäten erkennbar: Kulturtransformation aus Sicht einer Kommunikationsexpertin (Teil 2)

 

Interview mit Manuela Dollinger, Competence on Top

Lust auf Zukunft: Gemeinsam die VUCA-Welt gestalten

 

4 erprobte Fragetechniken, die wahre Leader beherrschen

 

Wie Sie gut zuhören und bessere Gespräche führen

 

Teilen

kontakt

Susanne Kleiner
Otto-Wels-Straße 64a
D-79102 Freiburg im Breisgau
T +4976138397035
M +491714009071

soziale medien

*wortwörtlichwirken-news**

Für alle, die wortwörtlich wirken und persönlich wachsen wollen.

volltextsuche

Die Fundgrube rund um intuitives Schreiben, Texten, Bloggen, um Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

susanne kleiner

powered by webEdition CMS