Meine Workshops für das intuitive Schreiben wirken lange in mir nach. Was mag ich besonders daran? Erstens: die heilige Stille, die beim Schreiben Raum greift. Zweitens: die geklärten Gesichter und leuchtenden Augen, in die ich blicke. Drittens: Feedback, das mir zeigt: Schreiben geht tief und setzt innere Prozesse in Gang. Kurzum: Wer regelmäßig zu Papier und Stift greift und in einem Fluss schreibt, sorgt gut für sich und wächst persönlich. Ein Beispiel:
„Liebe Susanne, ich kam am Freitag nach einem sehr anstrengenden Tag sehr müde und erschöpft in deinen Schreibworkshop. Und dann waren das so wunderbare, inspirierende 90 Minuten – mit einer sehr wertvollen Erkenntnis für mich. Ganz konkret habe ich dadurch den Mut gefasst, ein Gespräch mit jemandem zu führen, das ich vorher gescheut habe. Das war sehr bereichernd und erleichternd."
Deshalb schreibe ich diesen Blogpost.
Niemand kann so tief in sich hineinblicken wie Sie selbst. Beim Schreiben zeigen Sie sich unverstellt und unzensiert so wie Sie wirklich sind. Wer intuitiv oder automatisch schreibt - also mit der Hand in einem Fluss -, nimmt sich selbst bewusst wahr.
Schreibende betrachten ihr Leben und ihr Erlebtes aus einer inneren Distanz. Mit dem Stift in der Hand halten sich Menschen den Spiegel vor.
Sie analysieren und hinterfragen:
• Welche Gedanken leiten mich?
• Was fühle ich? Welche Gefühle nehme ich wahr?
• Wie, warum und wozu handle ich so oder anders?
• Was brauche ich, damit ich mir treu bleibe?
• Welche Konsequenzen ziehe ich daraus?
• Wie nehme ich mich selbst wahr? Wie nehmen mich andere wahr?
Je öfter Sie schreiben, desto selbstverständlicher kommen Sie sich selbst näher. Je selbstverständlicher Sie das Schreiben in Ihren Alltag integrieren, desto beherzter vertrauen Sie sich Ihrem Schreibfluss an. Sie verstehen und respektieren Ihre Werte und Bedürfnisse und handeln bewusst danach: „Das tut mir gut.", „Anderes kostet mich Kraft.", „Das lasse ich das nächste Mal weg oder mache es anders.", „Das, was mich trägt und weiterbringt, intensiviere ich.", „Worum geht es mir wirklich?".
Selbstreflexion und Selbsterkenntnis hängen eng zusammen. Selbstreflexion ist ein permanenter Prozess und stärkt die Persönlichkeitsentwicklung; die Selbsterkenntnis hingegen ist eine Momentaufnahme. Je öfter Sie schreiben, desto leichter gelingt beides.
Selbstreflexion fruchtet dann, wenn Menschen wertschätzend mit sich selbst umgehen. Ein Beispiel: Wer in Krisen unentwegt nach dem „Warum?" fragt, zieht sich selbst runter. Die Frage nach dem „Wozu?" weitet den Blick und mobilisiert Ressourcen - wie im 1:1-Coaching eben auch. Menschen in schwierigen Lebenslagen finden leichter in einen konstruktiven inneren Dialog, wenn sie Schreibimpulsen folgen.
Für meine Schreibworkshops kreiere ich mit dem Stift in der Hand eine Meditation, mit der ich meine Teilnehmer*innen anleite. Sie schließen die Augen, lauschen und stimmen sich auf ihre Schreibreise ein. In meine Seminare und Coachings baue ich Schreibsequenzen ein, ganz gleich, ob es um Präsentationen, um Texten, Bloggen, Kommunikation, Krisen-PR, Konfliktmanagement, Selbstfürsorge oder mentale Stärke für Führungskräfte, Teams oder Soloselbstständige geht.
Jeder Äußerung geht eine Innerung voraus. Wenn Sie sich ausdrücken, "er-innern" Sie sich an das, was Sie erlebt, gelernt und sich zu eigen gemacht haben; besser: was sie verinnerlicht haben. Wer mit der Hand in einem Fluss schreibt, macht sich seine Innenwelt bewusst. Schreiben ist Psychohygiene: Gedanken, Fragen, Ziele, Bedürfnisse, Wünsche und No-Gos reihen sich Wort für Wort aneinander.
Das, was geschrieben steht, gewinnt Kontur. Das, was schwarz auf weiß existiert, sitzt. Wer schreibt, gewinnt Klarheit. Wer klar ist, handelt selbstbewusst. Wer selbstbewusst ist, tritt souverän auf und kommuniziert kraftvoll.
Schreiben Menschen intuitiv, formulieren sie so wie sie sprechen. Sie schreiben klar. Und sie schulen ihren Geist, so dass sie leichter auf den Punkt sprechen und treffsicher vortragen. Wortwörtlich begegnen und erreichen sie andere. Sie äußern sich so als säßen sie ihren Zuhörern oder Lesern persönlich gegenüber: verständlich, zugewandt, klar und verbindlich.
Mischt der Kopf mit, neigen viele Männer wie Frauen dazu, geschwülstige Wortungetüme zu produzieren. Urplötzlich verfassen sie lahme, langweilige Briefe, Broschüren oder Reden. Ich frage mich:
Schreiben Sie regelmäßig intuitiv und verbessern Sie ganz nebenbei Ihre Schreibe. So gestalten Sie auch Fachtexte oder Korrespondenz lesefreundlich und wählen Worte mit Bedacht. Intuitives Schreiben trainiert Sie darin, Ihre Sprache zu kultivieren. Sie nähren eine Sprache und Schreibe, die Buchstabe für Buchstabe vermittelt: Sie stehen für Klarheit und Sie stehen zu Ihrem Wort. Hinzu kommt: Sie erreichen Ihr Gegenüber wirklich.
Dann sind Texte wie dieser passé:
„Die angestrebte Öffnung und die Präsenzveranstaltungen vor Ort werden unter Berücksichtigung der Hygienevorschriften und vorbehaltlich einer weiterhin sich positiv entwickelnden bzw. stabilen Infektionslage stattfinden."
Sie formulieren klar und verständlich - etwa so:
„Wir öffnen unser Haus und veranstalten Präsenz-Events. Das setzt voraus, dass die Infektionszahlen weiter zurückgehen und sich die Lage stabilisiert. Selbstverständlich gelten bei uns die tagesaktuellen, amtlichen Hygienevorschriften."
Ich zucke außerdem bei dem Adjektiv "positiv", das hier die Infektionslage beschreibt: eine Stolperfalle in Pandemiezeiten, in der die Angst vor positiven Testergebnissen den Puls hochtreibt. Also: Schreiben Sie bewusst, formulieren Sie wachsam. So stärken Sie Ihre Präsenz und persönliche Ausstrahlung als Autorin und Autor, als Rednerin und Redner, als Beraterin und Berater und als wohltuende(r) Gesprächspartner*in beruflich oder privat.
Vor wichtigen Gesprächen oder Terminen "zeichne" ich handschriftlich mein Bild der Situation oder Aufgabe. Ich beschreibe meine Sicht der Dinge, versetze mich in die Situation des Gegenübers hinein. Ich stelle mir Fragen, die ich direkt im Schreibfluss beantworte. Ich kann zwar den Verlauf eines Meetings nicht vorwegnehmen, doch ich gehe vorbereitet in den Termin. Das beruhigt: meinen Geist und meinen Körper. Übrigens: Intuitives Schreiben senkt den Blutdruck.
Die amerikanische Schriftstellerin und Schreibtrainerin Julia Cameron hat mit ihrem Bestseller "Der Weg des Künstlers" 1992 die Methode der Morgenseiten in die Welt gebracht. Ihr Tipp: Direkt nach dem Aufstehen drei DIN A 4-Seiten schreiben, um absichtslos und schnell festzuhalten, was in diesem Augenblick präsent ist. Das klingt ungefähr so:
„Ich sitze hier und höre Motorgeräusche. Offenbar fährt mein Nachbar Matthias heute früher zur Arbeit als sonst. Eigentlich wollte ich in fragen, ob er mir neue Kartoffeln mitbringt. Er kommt direkt bei meinem Lieblingsbauernhof vorbei. Was koche ich morgen, wenn Martina kommt? Ich freue mich auf die Geschichten, die sie so lebendig erzählt. Eben piepst mein Anrufbeantworter. Zum Glück... usw."
Bis heute hilft Julia Cameron Schriftstellern, bildendenden Künstlern, Malern und Menschen in klassischen Berufen wie Rechtsanwälten, ihre Kreativität zu leben. Deren Echo: Mit der Zeit zaubern sich bereits nach 1,5 Morgenseiten wahre Wunder, erhellende und erstaunliche Gedankenblitze aufs Papier. Warum ist das so?
Mit der Hand zu schreiben bedeutet: 30 Muskeln und 17 Gelenke arbeiten zusammen. Zwölf Hirnareale treten in Aktion. Intuitives Schreiben aktiviert die rechte Gehirnhälfte, also die kreative und konzeptionelle Seite des Gehirns. Wer regelmäßig intuitiv schreibt, zapft die Quelle seines kreativen Unbewussten an. Das heißt auch: Schreiben bringt Teams weiter, wenn Projekte kreativen Anschub brauchen.
Ein Beispiel: Innovative Unternehmen nutzen Kreativitätsmethoden wie das Brainwriting. Das funktioniert so: Sechs Mitarbeitende sitzen oder stehen vor einem vorgefertigten Blatt mit sechs Reihen, in drei Spalten geteilt. Ganz oben steht die Überschrift: nämlich die Aufgabe als Frage. Die Teammitglieder*innen schreiben gleichzeitig. Jede und jeder füllt eine Reihe aus. Nach fünf Minuten wandern die Blätter weiter. Die Schreibenden vervollständigen die Tabellen so lange, bis sie sechs Blätter mit jeweils 18 Ideen vor sich haben. Die Regel: Niemand nennt Inhalte mehrfach. Das Ergebnis nach nur einer guten halben Stunde: 108 Ideen.
Ich schreibe Morgenseiten und starte Text- oder Beratungsprojekte mit intuitivem Schreiben. Trainings und Vorträge konzipiere ich im ersten Wurf mit dem Stift in der Hand. Manchmal packe ich Stift und Notizbuch in meinen Rucksack und schreibe im Wald. So stoße ich schnell zur Essenz vor, verbinde mich mental mit meinem Gegenüber und finde leichter ins Thema. Feinschliff kommt später. Und: Ich begleite (Remote-)Teams in Kreativitäts-Workshops dabei, im Schreibfluss Ideen zu generieren, sich selbst zu reflektieren, bewusster miteinander zu kommunizieren oder Konflikte zu thematisieren. Der Vorteil: Der Raum der Ruhe und des Schreibens bestärkt auch zurückhaltende Charaktere, sich auszudrücken und zu Wort zu kommen. Extrovertierte halten inne, ohne ihre spontanen Ideen direkt laut auszusprechen. Sie sammeln sich und ihre inneren Impulse mit dem Stift in der Hand.
Was bewegt Sie, regelmäßig zu schreiben? Was hält Sie davon ab?
Wie reflektierst du dich selbst? Wie kurbelst du deine Kreativität an?
Ich freue mich über Feedback.
Ihre und Eure
***Top-Tipps***
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Susanne Kleiner
wortwörtlichwirken
10-Wochen-Programm ab 19. April: Autobiografisches Schreiben
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Die Fundgrube rund um intuitives Schreiben, Texten, Bloggen, um Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.